Dorf Kius
Heselgaard – einst ein Edelhof in der Gemarkung Kius
Text von Emil Green, bearbeitet 2020 von der Redaktion Im späten Mittelalter, vor etwa 600 Jahren, waren die Einwohner der Dörfer Kius, Ulsnis, Hestoft1 und wahrscheinlich auch die Steinfelder2 den Herren auf dem Edelhof Heselgaard untertan. Heselgaard war als Wasserburg gebaut und lag in der Gemarkung Kius am südlichen Ufer des Kalkjärsees auf einem kleinen Hügel, der wie eine Halbinsel in den See hineinragte.
Quer durch die Halbinsel war ein breiter Wassergraben gezogen, so dass die Burg auf einer kleiner Insel lag und von allen Seiten durch Wasser geschützt war. Der ehemalige Graben ist heute noch als flache Vertiefung zu erkennen. Die Koppel, auf der einst die Burg lag, wurde »Schlosskoppel« genannt. Sie ist aber seit 1964 infolge der Flurbereinigung mit der Koppel Osterfeld vereinigt. Auf dem Katasteramt ist die Schlosskoppel unter der Bezeichnung Gemarkung Kius, Flur 7, Flurstück 36/2 eingetragen. Der Besitzer ist im Jahr 2010 Friedrich Jacobsen3, Kius.
Weg mit dem Wasser
Der See wurde 1862 trockengelegt, indem der Mühlenbach so weit vertieft wurde, dass alles Wasser in die Schlei abfließen konnte4. Heute ist der ehemalige See nur noch als flache Senke im Gelände zu erkennen. Wo einst die Gebäude der Burg standen, ist die Erde mit zahlreichen rötlichen Brocken von Ziegelsteinen und Dachziegeln angereichert, die auf frisch beackertem Boden, besonders nach einem Regenschauer, gut zu erkennen sind.
Ein Suchgraben, der 1964 quer durch den ehemaligen Burggraben gezogen wurde, zeigte in einer Tiefe von 1,10 m eine 0,80 m starke schwarze Schlammschicht. Auf der Schlammschicht lagen einige dicke Dielenbretter, versehen mit Nut und Feder, und ein Balken. Alles war achtlos in den Graben geworfen und dann mit Erde zugeschüttet worden. Im Schlamm wurde noch ein hölzerner Kohlenkratzer mit abgebrochenem Stiel gefunden. Mit diesem Gerät wurden einstmals die glühenden Kohlen aus dem Backofen gekratzt, bevor das Brot eingeschoben wurde.
Räuberei auf der Schlei
Wann und von wem die Burg gebaut wurde, ist nicht bekannt. Zum erstenmal wird Heselgaard 1360 urkundlich erwähnt5. Da unterschreibt ein Hartwig Schinkel, wohnhaft auf Heselgaard, als Zeuge eine Urkunde, in der Luder Storm und sein Sohn Elerus der Kirche zu Kahleby Ländereien als Pfand überlassen. An anderer Stelle, aber ebenfalls 1360 und auch 1365, wird Hartwig Schinkel als Eigentümer der Edelhöfe Heselgaard und Hestoft genannt6. Er wird hier auf dem Ding der Schliesharde angeklagt, weil er durch seine Räuberei die Schlei unsicher gemacht habe.
1497 ist dann Paul Breide der Eigentümer von Heselgaard, und auch hier klagt die Stadt Schleswig gegen ihn auf dem Ding und auch vor dem König, weil er gegen das Recht der Bürger der Stadt auf freien Fischfang verstoßen habe, und auch wegen sonst von ihm vielfach begangener Gewalttätigkeiten7.
Später gelangt der Hof in den Besitz von Siewert von der Wisch, und er verkauft ihn dann 1504 an die Domkirche zu Schleswig8. Im gleichen Jahr gibt der Bischof zu Schleswig, Detlef Pogwisch, seinem Bruder Wulf Pogwisch den Hof als Lehen9. 1509 wird der Kauf auf dem Ding der Schliesharde bestätigt10. Hier erscheint zum letzten Mal der Name Heselgaard. Später werden die Dörfer, die einst zu Heselgaard gehörten, dann als »Heselener Vogetey« oder »Ulsenißer Vogetey« bezeichnet.
Um nun den Verfall und Untergang der Burg zu erklären, sind wir auf das Zeitgeschehen und auf die geschichtlichen Ereignisse angewiesen, denn schriftliche Berichte darüber gibt es nicht. Die mündliche Überlieferung in Form von Sagen bringt hier nur wenig Licht in das Dunkel der Vergangenheit, soll aber doch der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden.
Großzügiger Bischof
Nur etwa 20 Jahre, nachdem die Domkirche den Hof gekauft hatte, erfolgte die Reformation, und viele Kirchen verloren ihre Güter. Über den zu der Zeit amtierenden Bischof Gottschalk von Alefeld wird unter anderem berichtet, dass er zuvor viele Güter seines Bistums an Verwandte und Bekannte heimlich verkauft und verschenkt habe11. Hier zeigt der Bischof deutlich, dass kein Interesse vorhanden war, die Güter der Kirche zu erhalten. Daher ließ man wohl auch die für die Kirche doch wertlosen Gebäude der Burg verfallen, denn die Einkünfte wurden doch von den Einwohnern der dazugehörigen Dörfer erbracht. Die Dörfer blieben aber zum Glück beim Bistum, und die Einwohner entgingen dadurch der Leibeigenschaft.
Kriegerische Zeiten und Seuchen
Etwa 100 Jahre nach der Reformation, in den Jahren 1627 bis 1629, zogen dann im 30-jährigen Krieg die Landsknechte Tillys und Wallensteins raubend und plündernd hier durch unsere Heimat. 1643 bis 1645 waren es dann unter anderem schwedische Truppen, die hier das Land verwüsteten, und 1657 bis 1660, im Krieg zwischen Dänemark und Schweden, hausten dann noch Polacken, Kosacken und wieder schwedische Truppen weit schlimmer als alles bisher Geschehene, in unseren Dörfern. Die Söldnerscharen raubten fast alles Vieh, vertrieben die Bewohner aus den Häusern und zerschlugen Fenster und Türen. Zu allem Unglück kamen dann noch die ansteckenden Seuchen, so dass ganze Dörfer entvölkert wurden, verfielen und nicht wieder aufgebaut werden konnten12.
Die Burg Heselgaard wurde aber wahrscheinlich schon nicht mehr bewohnt, seitdem das Domkapitel 1504 der Eigentümer wurde, denn der Lehnsherr Wulf Pogwisch hatte seinen Wohnsitz in Grünholz und war Amtmann in Apenrade13. Auch in den Amtsrechnungen14, die bis 1588 zurückreichen und im Erdbuch des Domkapitels von 1638, in dem doch alle abgabepflichtigen Einwohner verzeichnet sind, wird kein Einwohner von Heselgaard erwähnt15. Man darf daher wohl annehmen, dass die Burg, weil sie 123 Jahre nicht bewohnt wurde, langsam verfallen ist und dann durch die Söldnerscharen des 30-jährigen Krieges und des nordischen Krieges endgültig zur Ruine wurde.
In einer Sage, die auch in der Topographie des Herzogtums Schleswig von H. Oldekop enthalten ist, wird berichtet, dass die letzte Bewohnerin der Burg Heselgaard in der Haustür von schwedischen Soldaten erschossen wurde16.
Flucht in die Wälder
Obwohl die Burg wahrscheinlich schon lange nicht mehr bewohnt war, kann diese Sage sich doch wirklich ereignet haben. Denn als die schwedischen Truppen hier in unserer Heimat hausten, sind viele Einwohner in die Wälder geflohen17. So können sich auch Flüchtlinge in der alten Burg verborgen haben, und der Mord kann so geschehen sein, wie in der Sage berichtet wird.
Eine weitere Sage berichtet: Während des Polackenkrieges 1657 bis 1660 wurde die Burg Heselgaard von Kosaken vergeblich belagert. Sie war durch viel Wasser geschützt und mit einem starken Burgwall umgeben. Da verfiel der Hauptmann auf eine Kriegslist: Er ließ dem Burgfräulein sagen, wenn sie ihm bei der Eroberung der Burg behilflich sein wolle, dann würde er sie heiraten und ihr ein goldenes Spinnrad als Hochzeitsgeschenk verehren. Sie ließ sich betören.
Durch ein Licht, das sie nachts in das Fenster stellte, zeigte sie eine schwache Stelle im Burgwall an. Hierauf schossen die Belagerer mit ihrer großen Kanone, und gar bald war in den Burgwall eine Bresche gelegt. Die Koppel, von der aus die Beschießung erfolgte, heißt noch heute nach der großen Kanone »Grot Stück«. Die Belagerer drangen in die Burg ein und machten die ganze Besatzung nieder, auch das Burgfräulein verschonten sie nicht. Seitdem wandert ihr Geist zur nächtlichen Stunde auf dem Platz umher, es »spökelt« hier. Noch vor wenigen Jahren war es nicht möglich, hier während der Nacht Pferde zu weiden, denn zur mitternächtlichen Stunden brachen sie regelmäßig aus. Das goldene Spinnrad soll aber noch auf dem Burgplatz vergraben liegen18.
Thor bekommt Götzenbild
Aber auch einen silbernen Schatz lässt die dritte Sage hier verborgen sein: In Taarstedt hatte man in heidnischer Zeit dem Gott Thor ein großes silbernes Götzenbild errichtet, das von nah und fern viel aufgesucht und verehrt wurde (daher der Name Taarstedt = Thorstätte). Als nun das Christentum in unser Land kam, wollte man von Schleswig aus das Götzenbild beseitigen.
Doch treue Anhänger des Gottes Thor hatten Kenntnis von der ihnen drohenden Gefahr bekommen, deshalb wollten sie die Statue nach Boren in Sicherheit bringen. Die Schleswiger aber holten die Flüchtlinge eben hinter Kius ein und bedrängten sie hart. Kurz entschlossen versenkte einer der Taarstedter das Götzenbild im Kalkjärsee nahe bei Heselgaard. Auch dieser Schatz soll noch hier liegen, jedenfalls ist er bisher nicht gehoben worden19.
Viele Jahre hat die Burg dann als Ruine dagelegen. Erst im Jahre 1821 wurde der Platz geebnet und der Burggraben zugeschüttet. Das Hauptinteresse richtete sich natürlich auf die vermeintlichen Schätze, die auf dem sagenumwobenen Platz liegen sollten. Im Frühjahr des genannten Jahres übernahmen die Arbeiter Las P. Jürgensen, Joh. W. Sommer, Chr. Krambeck und Burgard die Arbeit für 200 Mark Courant unter der Bedingung, dass sie an Schätzen, die etwa gefunden würden, den gleichen Anteil wie der damalige Besitzer haben sollten. Die Arbeiten nahmen fast den ganzen Sommer in Anspruch, förderten auch einige Geräte aus Eisen und einen Handmühlstein zu Tage, was man aber nicht fand, war das goldene Spinnrad und das silberne Götzenbild20.
Heute liegt der Burgplatz in verträumter Einsamkeit da, und den Unkundigen erinnert nichts mehr an einstige Größe, Räubereien, Gewalttätigkeit, Leid und Untergang.
Fußnoten
- LA (Landesarchiv) E II 8 (Bd. 36), S. 12. Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. ⇑
- Dorfbuch der Gemeinde Steinfeld von A. Petersen und E. Tollgaard, 1944. ⇑
- Im Jahre 2010 Dirk Jacobsen. ⇑
- Dorfbuch der Gemeinde Steinfeld, a.a.O. ⇑
- LA Topographie des Herzogtums Schleswig von Johannes Schröder, 1854. ⇑
- LA E II 8 (Bd. 36), a.a.O. ⇑
- LA E II 8 (Bd. 3), S. 190. Zeitschrift der Gesellschaft f. Schleswig-Holsteinische Geschichte. ⇑
- LA Noodt. Bd 2, S. 210. ⇑
- LA Repertorium Diplomaticum Regni Danici Mediaevalis, Bd. 6. ⇑
- LA Urkunden-Abt. 186, 76. ⇑
- LA Kirchen-Historie des Reiches Dänemark von Pontoppidan, Bd. 2, S. 892. ⇑
- Angeln, von H. N. A. Jensen (Jensens Angeln), Kap. 10, 1922. ⇑
- LA Repertorium Diplomaticum a. a. O. ⇑
- LA 169 AR. 1586/1652. ⇑
- LA Abt. 400. 1 Nr. 54. Erdbuch des Domkapitels von 1638. ⇑
- Dorfbuch der Gemeinde Steinfeld, a.a.O. ⇑
- Angeln, von H. N. A. Jensen, a.a.O. ⇑
- Dorfbuch der Gemeinde Steinfeld, a.a.O. ⇑
- ebda. ⇑
- ebda. ⇑
Anfänge der Besiedlung
Text aus der Chronik 2010 von Meike Roos und Michael Böhmke, bearbeitet von der Redaktion 2020Nördlich der Schlei liegt oberhalb des Gunnebyer Noors das Dorf Kius.
Der Name Kius, früher Kyus oder Kyes, bedeutet wohl »enge Bucht« oder »enges Tal«. Ob sich der Name auf die enge Bucht in der Schlei oder aber auf ein Urstromtal bezieht, durch das der Mühlenbach fließt, ist nicht zu klären.
Damals viele Wasserläufe
Im Grunde ist der gesamte Ort von Wasserläufen durchzogen, was auf alten Karten des Katasteramts1 gut zu sehen ist. Heute läuft das Wasser fast überall unterirdisch in Rohren; nur an den Grundstücken Nr. 20, Nr. 16 und Nr. 15 ist der Wasserlauf noch oberirdisch sichtbar. Der eigentliche Mühlenbach fließt von Kalkjer kommend durch den Ortskern weiter Richtung Schlei und bildet den Mühlenteich der Hesselmühle, die eine Wassermühle war. Ursprünglich lagen alle sechs Hufen des Dorfes am Mühlenbach.
Die Entstehung der Dörfer und Siedlungen in der ehemals waldreichen Landschaft könnte man sich folgendermaßen vorstellen: Die Bevölkerung siedelte an günstig gelegenen Stellen und machte das Land urbar. Wuchs die Bevölkerung, gründeten die Nicht-Erbberechtigten in der Nähe der eigentlichen Siedlung ein neues Gehöft, und eine neue Ansiedlung entstand bis zur Aufteilung der kompletten Bodens. Jedes Dorf hatte seine Feldmark, und die Anzahl der Höfe, der Hufen, war festgelegt.
Katendörfer und Siedlungen entstehen
Die jüngeren, nicht erbberechtigten Familienmitglieder hatten daher keine Möglichkeit, Grund zum Wirtschaften zu erwerben. Offensichtlich wurde ihnen ungenutztes Land an den Grenzen der Feldmark zugewiesen. Auf diese Weise entstanden die um Kius gelegenen Katendörfer. Kiusser und Steinfelder Kätner bildeten die Siedlung Wackerade, Ulsnisser und Kiusser das Katendorf Kirchenholz. Der Name »Holz« deutet darauf hin, dass es sich bei dem zugewiesenen Land ehemals um Wald handelte. Für das Recht, dort zu siedeln, mussten die Kätner eine Abgabe an die Hufner leisten; und für einen Taler Grasgeld pro Kuh konnte das Vieh auf der allgemeinen Dorfweide grasen.
Zwischen Kius und Lindau befand sich eine einzelne Kate, Kiusweg. Ihre Entstehung verdankte sie vermutlich Streitigkeiten zwischen Kiusser Hufnern und dem Lindauer Gut. Tatsache ist, dass die Kiusser 1614 die Erlaubnis erhielten, dort einen Insten anzusiedeln, der die Aufgabe hatte, auf das dortige Heck an der Grenze der Feldmark zu achten. 1767 sollte Kiusweg abgebrochen werden, aber die Erlaubnis dazu wurde nicht erteilt2.
Nach Ansicht G. Dircks3 müssen in früheren Jahren alle Ländereien des Kirchspiels Königsgut gewesen sein, die dann aber in den Besitz des Adels gelangt sind. Bei Kius existierte die so genannte Burg Hesselgaard, in der Nähe des Weges gelegen, der heute von Kius nach Bremsdiek führt. Obwohl von der Burg schon längst nichts mehr erhalten ist, kann man im Gelände noch Formationen der ehemaligen Anlage erkennen.
Bekannt ist, dass 1362 auf Hesselgaard ein Hartwig Schinkel Besitzer war, und zu Hesselgaard werden auch die Kiusser Ländereien gehört haben. Später finden wir Hesselgaard im Besitz der Familien Breyde und von der Wisch. Sievert von der Wisch verkaufte 1504 das Gut an das Domkapitel zu Schleswig. Durch diesen Verkauf blieb den Einwohnern von Kius die Leibeigenschaft erspart, die wir in der Gemeinde nur in dem zum Gut Lindauhof gehörenden Dorf Gunneby (bis zu ihrer Aufhebung am 1. Mai 1784) verzeichnen können. Die drei Gunnebyer Hufen, welche das Domkapitel 1527 gegen vier andere in Havetoft an den damaligen Besitzer von Lindau, Otto Rathlov, vertauschte, gehörten vermutlich auch zu Hesselgaard.
Fußnoten
Festehufner – Festekätner
Die Kiusser Hufner waren ebenso wie die Steinfelder, Ulsnisser und Hestofter sogenannte Festebauern. Während dem Bonden die vollen Verfügungsrechte über seinen Besitz zustanden, musste der Festehufner seine Landstelle von der Herrschaft »festen«.
Die Hufen gingen im Kirchspiel Ulsnis in der Regel vom Vater auf den ältesten Sohn über. Normalerweise brauchten nur die Ländereien gefestet zu werden, denn die Häuser und Scheunen waren meistens Eigentum der Bauern. Bei Antritt der Hufe und nach Bezahlung der Festegelder erhielten die Festehufner, und für die Katen natürlich auch die Festekätner, einen sogenannten Festebrief. Im Folgenden sei hier ein Festebrief, ausgestellt für den Kiusser Hufner Detlef Hinrich Petersen aus dem Jahr 1794, zitiert1:
Im Namen Ihro Königl Maj zu Dänemark, Norwegen, meines allergnädigsten ErbKönigs und Herrn, thue dero bestalter Geheimer-Konferenzrath, Kammerherr und Amtmann des Amts Gottorf
Ich Detlef Christian von Rumohr, Ritter pp hiemit öffentlich kund und zu wissen, daß ich deroselben Unterthan Detlef Hinrich Petersen zu Kius die von Hans Hinrich Petersen gekaufte, zur vormaligen Domkapittels Vogtey Ulsnis gehörig gewesene Festehufe von 4 Mark Goldes umb und für eine Feste-Recognition von Vier Reichsthaler Courant, welche derselbe auch vermöge vorjährigem Gottorfer Amtsregisters richtig und baar erleget, verfestet, und eingethan habe.
Ich verfeste und übergebe demnach ihm, gedachten Detlef Hinrich Petersen obberührte Hufe mit allem Zubehör auch hiemit und kraft dieses, dergestalt und also, daß er selbige nunmehro anzunehmen, geruhig zu besitzen, zu nutzen, zu genießen, zu gebrauchen und die Zeit seines Lebens aus, daferner er es sonsten nicht verbrechen wird, zu behalten berechtigt seyn möge. Jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß er bey Verlust der Feste daran nichts ohne obrigkeitlichen Consens und Vorbewußt verkaufen, veralieren, versetzen oder verpfänden, sonsten aber falscherhalben Ihro Königl Maytt und Dero Königl Souverainen Nachkommen in alle Wege genug thun, mithin leisten und entrichten sollen, was von sothaner Festehufe bisher praestieret worden oder künftig annoch zu thun verordnet werden möchte; Gestalt er auch die Gebäuden sowohl als Ländereien in stets baulichem Stande und in guter Cultur zu unterhalten verpflichtet ist.
Urkundlich habe ich diesen Festebrief eigenhändig unterschrieben und mit meinem Pettschaft versiegeln laßen.
So geschehen auf dem Amthause vor Gottorf, den 13. Fbr. 1794.
D C Rumohr (Siegel)Evtl. Foto des Briefes aus der Zeitung? oder von Krefft
Dieser Festebrief zeigt, dass der Festehufner die Hufe an einen anderen, in diesem Falle seinen Sohn, verkaufen konnte, dazu aber die Erlaubnis des sogenannten »Obereigentümers« einholen musste. Obereigentümer waren im Kirchspiel zunächst der Adel, später das Domkapitel zu Schleswig, aus dessen Händen es bei der Aufteilung der Domkapitelsgüter im Jahr 1658 endgültig an den dänischen König fiel. 1864 übernahm die preußische Krone die Festegerechtsame, welche dann in den Jahren von 1870 bis 1880 durch eine einmalige Ablösungssumme von seiten der Hufner und Kätner abgelöst wurde. Dadurch wurden die Festebauern und Festekätner den Bonden gleichgestellt.
Fußnoten
- Erd- und Vermessungsbuch der Dorfschaft Kius von 1766, Archiv Dorfmuseum Ulsnis
Besitzer der Hufen und Katen
Die Besitzer der Kiusser Hufen sind zum ersten Mal aus dem Jahre 1561 bekannt, denn in diesem Jahr beginnt das älteste Kirchenrechnungsbuch der Ulsnisser Kirche. In Kius waren stets sechs Hufen, jede zu vier Mark Goldes eingeschätzt. Die Mark Goldes war aber kein genaues Landmaß, sondern eher eine Werteinschätzung. Denn bei der Einkoppelung 1766 erhielten die Kiusser bei ihren vier Mark Goldes ungefähr 150 Heitscheffel, die Ulsnisser Overbecker aber, die mit sechs Mark Goldes angesetzt waren, nur 115 Heitscheffel. Aus welchem Grunde die Hufen der Kiusser so niedrig eingeschätzt waren, ist leider nicht bekannt.
Hufner waren 1561 Jeß Hanßen, Peter Beneddicksen, Hans Meltßen, Pawel Low, Marquardt Tampßen und Melt Laßen. Im Jahr 1600 sind notiert: Peter Diryckßen, Pauell Louw, Jeß Calßen, Hans Jeßen, Laß Louw und Jeß Peterßen. Jeß Peterßen war der Besitznachfolger von Hans Benedixen. 1655 sind Jörgen Marquardsen, Peter Nißen, Paul Löw, Johann Tönnißen, Jörgen Dyrcksen und Peter Dyrckßen genannt1.
Das Erdbuch des Domkapitels2 erwähnt für 1698 die Hufner Aßmuß Rasch, Jürgen Marquartsen, Peter Jeßen, Hans Pauwlsen, Diederig Petersen, Johann Laßen.
Zum Zeitpunkt der Verkoppelung 1766 nennt das Erd- und Vermessungsbuch3 die Hufner Hans Heinrich Petersen, Jürgen Schmidt, Erich Ottzen, Peter Diederichsen, Asmus Gabriel und Marx Tönnsen.
1561 gehörten vier Kätner zur Dorfschaft4. Das waren Hermen Werm, Clawes Jeß, Nes Spary und Jeß Martißen. Den Namen Spary findet man 1564 schon nicht mehr. Im Jahre 1574 werden zum erstenmale fünf Kätner genannt, Hans Worm, Claues Jeßen, Carsten Petersen, Martin Jebßen und Claus Jürgenßen. 1592 waren es sieben Kätner, 1593 nennt das Kirchenrechnungsbuch schon elf Kätner, die den für Kätner üblichen Kirchenzehnten von 1 Schilling bezahlen mussten. Ihre Namen waren Hanß Worm, Peter Schröder, Karsten Peterßen, Marten Jebßen, Thomas Kemerlink, Clauwes Marquardsen, Asmus Snyder, Katrin Ebbeßen, Mathis Marquardsen, Johann Tamßen und Tucke Louve. Den Namen Louv oder Low findet man um diese Zeit viel unter den Hufnern des Kirchspiels, und auch in der Dorfschaft Kius befindet sich 1593 ein Pauwel Louv, Hufner. Man kann nun vermuten, dass jüngeren Söhnen, wenn ihnen keine andere Erwerbsmöglichkeit gegeben werden konnte, von der väterlichen Hufe eine Katenstelle abgelegt wurde.
Im folgenden Jahr kommen noch zwei Kätner dazu, nämlich Claus Moltßen und Laurens Möller (von Hesselmühle). Während die Zahl der Hufner immer gleich bleibt, vergrößert sich die Zahl der in Kius ansässigen Kätner immer mehr. 1655 finden wir schon sechzehn. Sie sind im Kirchenbuchregister eingetragen: Hans Hermensen, sel. Otto Claußens Witwe, Asmuß Claußen, Hinrich Rasch, Jörgen Nißen, Hans Möller, Thomas Kemerlin, Peter Schmidt, Pawel Dyrckßen (auch dieser wird ein Kiusser Hufnerssohn sein), Jiß Laßen, Heinrich Claußen, Hans Andreßen, Asmus Hamenßen, Nis Schmidt in Kirchholz, Hans Claußen Schneider und Hans Möller in Hesselmühle. Dann verringert sich die Zahl der Kätner wieder. 1675 sind nur noch 14 erwähnt. 1680 sind weitere sechs nicht mehr in Kius, es wird nur noch von acht Kätnern der Kirchenschilling erhoben. 1686 sind es wieder neun, leider werden keine Namen mehr genannt.
Die zeitweilig große Zahl der Kätner und ihr langsames Verschwinden deuten darauf hin, dass die Katen immer zu den Hufen, von denen sie abgelegt waren, gehört haben müssen. Waren sie nicht mehr bewohnt, fielen sie den Stammstellen wieder zu, denn von einem Verkauf oder Tausch ist nichts aktenkundig.
1872 wurde auf dem sogenannten Allemannsgrund eine Katenstelle neu eingerichtet. Auf diesem Grund stand bis 1849 die Kiusser Schule. Danach lag das Land nutzlos und so tauschten es die Hufner Gabriel und Tönnsen, sowie der Kätner Ohl von der Dorfschaft. Bei der Aufteilung der Ohlschen Kate erwarb der Tischler Heinrich Green den Wohnplatz und den Garten, der Kätner Hans Johann Tüxen die beiden Koppeln Hegeholz und ein Bruder des verkaufenden Kätners, Carl Ohl, erwarb ein Stück vom Allemannsgrund in Größe von 9 a 93,2 qm zur Errichtung einer neuen Familienstelle. Carl Ohl kaufte in Boren ein Haus, dort wurde es abgebaut und in Kius wieder aufgestellt. Durch Zukauf von Ländereien von der Michelschen Kate in Ulsnis-Kirchenholz und dem Müller Steen wurde aus der einstigen Instenstelle eine Kate, die in der Größe den Ursprungskaten in nichts nachstand. 1898 verkaufte Ohl die Kate an den Schneidermeister Peter Schmidt.
Fußnoten
- Gesamter Abschnitt: Kirchenrechnungsbücher der Ulsnisser Kirche, zitiert nach G. Dircks, a.a.O.
- Staatsarchiv Kiel, Akte C XIV. 163
- Siehe auch: Tüxen, Hans, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln 1982, und: Jäger, Heinrich, Höfe und Häuser in Angeln – Gemälde von Hinrich D. Hinrichsen, Husum 2004
- Heute noch zu sehen an der Gaststätte im Landschaftsmuseum Unewatt
Landverteilung – Verkoppelung
Wie in allen anderen Dorfschaften hatten auch die Kiusser Hufner ihre Feldgemeinschaft. Im Vergleich mit anderen Dörfern begannen die Kiusser aber schon früh, Teile des gemeinsamen Ackerlandes untereinander aufzuteilen. Schon 1730 sollen die um das Dorf liegenden Stücke mit Wällen und Knicks eingezäunt gewesen sein. 1761 suchten sie um die Genehmigung nach, das Osterfeld aufteilen und einkoppeln zu dürfen, weil ihr Vieh auf Lindauer Gebiet übertrat und weil die Hesseler Mühlengäste aus dem Kirchspiel Boren dauernd querfeldein fuhren. Der Antrag wurde am 12. September 1761 genehmigt1. Die endgültige Aufteilung der Feldgemeinschaft erfolgte aber erst nach der bekannten Verordnung. Lange gezögert haben die Hufner nicht, denn schon im Oktober 1766 war der größte Teil der Ländereien vom Landmesser Jürgen Jakobsen aus Boelschuby (in Gegenwart der königlichen Landleute Johann Wienken aus Hestoft und Peter Lorenzen aus Steinfeld) vermessen; der Rest wurde 1768 verteilt. Bei der Auflösung der Feldgemeinschaft ging den Kätnern die bis dahin besessene Weidegerechtsame verloren, es kam zum Streit zwischen den Hufnern und Kätnern. Nach Klärung des Konflikts erhielten die Kätner, je nach Anzahl der Kühe, Land zugewiesen. Allerdings war dieses Land mit Krattbusch überwuchert, und zum Roden musste erst noch die Erlaubnis eingeholt werden. Das für die Anlage der Knicks notwendige Buschwerk (Pathen) konnten sich Hufner sowie Kätner aus den königlichen Gehegen holen. Säumige wurden sogar dazu aufgefordert. Die Koppelnamen aus der Zeit der Vermessung sind oft als Flurnamen erhalten und erzählen etwas über die Besonderheiten des betreffenden Stück Landes. Sie lauten folgendermaßen:
Hoyholt, Ragrumb, May, Schafslücke, Lücke, Haselkoppel, Keelacker, Sibberacker, Swienstieg, Pinokoroy, Schreebek, Moorkoppel, Rüdkjer, Stauertwedt, Breeroy, Skiolacker, Glautöroy, Royendamm, Daalmoorwiese, Klint, Kalkjeracker, Nordschau, Tügestoft, Dammlücke, Trollhoykoppel, Pipperdamm, Tuerlück, Eggentwedt, Eichelund, Breebol, Pappelhol, Reyerdönn.
Fußnote
- Chronik der Gemeinde Ulsnis, 1985, S. 190
Schule in Kius
Ursprünglich gingen die Kiusser Kinder in Steinfeld zur Schule. Weil der Weg weit und unwegsam war, wollten die Einwohner für Kius eine eigene Schule. Der 1764 gestellte Antrag wurde von den zuständigen Behörden abgelehnt, denn erstens hätte der Wegfall der Kiusser Kinder eine Gehaltseinbuße des Steinfelder Lehrers bedeutet (und das Gehalt war schon sehr gering), und zweitens hätten die Kiusser Hufner und Kätner kaum eine Schule und einen eigenen Lehrer finanzieren und unterhalten können. Doch erstaunlicherweise war die Kiusser Schule bereits im folgenden Jahr Realität.
Auf dem Allemannsgrund, der sich an der heutigen kleinen Kreuzung in Kius-Dorfmitte befand, stand seit 1607 eine Kate. Ab 1765 war dort die Kiusser Schule, die wahrscheinlich in der alten Kate untergebracht wurde. Es handelte sich um eine einfache Dorfschule mit nur einem Raum und einem Lehrer. Aus Platzmangel gab es auch keine Lehrerwohnung. Man kann vermuten, dass der Lehrer auf einem anderen Hof oder einer Kate als Untermieter wohnte.
Das Ansehen eines einfachen Dorfschulmeisters war gering, er hatte auch nur ein geringes Gehalt, war arm und oft nicht entsprechend ausgebildet. Das änderte sich erst mit Einführung der Distriktschulen. Jetzt erhielten die Lehrer eine Ausbildung in Seminaren in Bad Segeberg oder Tondern, und auch Bezahlung und Ansehen verbesserten sich entsprechend.
Der letzte Lehrer an der kleinen Dorfschule war Hans Bunßen. Er wurde am 14. November 1796 in Frörup geboren, besuchte das Seminar in Tondern und wurde an der Kiusser Distriktsschule 1824 als Lehrer angestellt. 1849, nach Auflösung der Kiusser Schule, wurde er Elementarlehrer in Ulsnis. 1863 ging er in den Ruhestand, wohnte eine Zeitlang in Bohnert (Schwansen) und Wackerade, zog dann aber wieder nach Kius, wo er am 23. März 1882 verstorben ist. Bunßen hat in der plattdeutschen Sprache unterrichtet.
Von der Kiusser Schule ist uns nur noch das Rechnungsbuch aus den Jahren 1817 bis 1829 erhalten. Wie das Rechnungsbuch ausweist, wurde in der Schule als Feuerung nur Torf verbraucht. Die Jahreslieferung schwankte zwischen 1.000 bis 7.000 Soden Torf. Das Gehalt für den Lehrer erscheint zum ersten Mal im Jahre 1823, es hatte eine Höhe von 105 Mark Schleswig-Holsteinischer Courant.
Von den 1837 eingetragenen Familien, auf welche die Schullasten verteilt wurden (die Reallasten, wie die Ausgaben für Feuerung, Bauten und Brandkassengelder genannt wurden, trugen die Hufner allein, jeder den sechsten Teil), gehörten 17 zu den Landbesitzern, zwei waren Häuserinsten. Hufner waren Peter Gabriel, Marx Tönnsen, Hans Petersen, Peter Schmidt, Hans Schmidt und Asmus Hansen. Die Kätner hießen Hans Petersen, Marx Thomsen, Claus Tüxen, Ulrich Ohl, Peter Johannsen, Claus Jeßen, Asmus Hinrichsen, Hans Peter Brodersen, der Müller Schmidt, Jürgen Thomsen und Peter Andresen. Die beiden Häuserinsten waren Peter Petersen und Andreas Petersen.
Gastwirtschaft in Kius
An der Straße von Kius Richtung Lindau lag bis 1911 bei den heutigen Häusern Kius 24 bis 26 eine Gastwirtschaft. Asmus Hinrichsen kaufte am 12. Juli 1779 vom Gut Kalkiergard neun Heitscheffel Land, er gilt als der erste Besitzer der Gaststätte Kiusbek. Sein Sohn Hinrich Hinrichsen übernahm wohl 1795, nach dem Tod des Vaters, den Krug. Er wird 1801 als »Kätner und Krüger zu Kius« genannt. Als er 1840 starb, wurde sein Sohn, der nach dem Großvater Asmus Hinrich Hinrichsen hieß, der dritte Krugwirt. Dessen Sohn Heinrich oder Hinrich Hinrichsen nahm den Rat des Pastors Jensen aus Boren an und erlernte das Malerhandwerk. Um 1856 eröffnete er seine eigene Werkstatt in Gunneby. Er war der bekannte Angler »Heimat«-Maler1, verkaufte wahrscheinlich in den 1860er Jahren die Gastwirtschaft an Peter Held. Der wiederum soll alsbald wieder verkauft haben, und zwar an Hans Johannsen, einen Bruder vom Gastwirt Johannsen in Ulsnis-Kirchenholz, bekannt als »Hans Karkenholt«.
Warum die Gastwirtschaft so oft hintereinander den Besitzer wechselte, weiß man nicht; der nächste Wirt hieß Uck und war der Vater von Peter Uck aus Wackerade. 1874 verkaufte auch er wieder, und zwar an August Hansen aus Groß Rüde bei Schnarup. August Hansen blieb Krugwirt wahrscheinlich bis 1911; seine Frau Christina, geborene Jochimsen lebte noch bis zu ihrem Tod 1936 im Haus gegenüber. Sicher ist jedenfalls, dass die Gastwirtschaft 1911 an den Maler Carl Stamp aus Steinfeld verkauft wurde. Noch im selben Jahr, während Stamp auf einer Reise nach Hamburg war, brannte sie ab. Die Brandursache blieb ungeklärt, und die Gaststätte wurde auch nicht wieder aufgebaut. Als das mittlere der drei neuen Häuser 1968 gebaut wurde, sollen dort noch Mauerreste der Gastwirtschaft vorhanden gewesen sein.

Der Krug selbst war ein langgestrecktes, reetgedecktes Gebäude mit vielen Fenstern. Vorn befand sich ein Anbau, eine Durchfahrt, wie sie bei vielen Gastwirtschaften bestand2. Sie diente als Wetterschutz für Pferd und Wagen der Gäste oder für die Postkutsche. Denn Kiusbek war auch eine Posthilfenstelle, wie ein Schild neben dem Briefkasten an der Vorderfront deutlich machte. Man kann zumindest den Postbriefkasten auf dem Foto um 1904 erkennen. Ein weiteres Schild kennzeichnete den Ort als „öffentliche Fernsprechstelle“. Auch eine Hökerei soll der Gastwirtschaft angeschlossen gewesen sein, eine Kombination, die heute noch gelegentlich zu finden ist. Nach hinten erstreckte sich ein Anbau mit der Kegelbahn, und so gab es in Kius schon früh einen Kegelverein. Ein Foto des Vereins »Gut Holz« von 1903 ist noch erhalten.
Fußnoten
- Siehe auch: Tüxen, Hans, in: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln 1982, und: Jäger, Heinrich, Höfe und Häuser in Angeln – Gemälde von Hinrich D. Hinrichsen, Husum 2004.
- Heute noch zu sehen an der Gaststätte im Landschaftsmuseum Unewatt.
Wegenetz in Kius
Die offiziellen Straßen, damals noch unbefestigt, verliefen entlang der teilweise recht großen Grundstücke und verbanden die Hufen und Katen im Dorf und dieses wieder mit anderen Dörfern. Wollte man nicht die langen Wege gehen, benutzte man als Fußgänger die keineren, schmalen Fußstiege, die oft querfeldein führten und erhebliche Abkürzungen darstellten. Durchquerten sie Koppeln, so mussten Knicks und Zäune überwunden werden. Dafür hatte man sogenannte »Stegels« gebaut, die zwar vom Fußgänger, nicht aber vom Vieh überstiegen werden konnten.
Am und im Dorf sind allein vier Fußstiege bekannt, die zur Kirche hin ausgerichtet waren, und dementsprechend hießen sie auch »Kirchstiege«. Stieg 1 führte von Krock-Steinfeld bis zum Tönnsenhof (heute Dank). Stieg 2 verband Gunneby mit Ulsnis-Kirchenholz, wobei der Weg durch Wiesen, durch H.-P. Schmidts »Feine« (kleiner Wald), über Tüggestoft und am kleinen Tüxenhaus vorbei ging. Stieg 3 verlief von Wackerade über den Hof von Otto Schmidt (heute Krefft) bis zum Tönnsenhof (Dank). Stieg 4 schließlich begann in Bremsdiek, passierte mehrere Koppeln und »Grotstück«, und endete am Lorenzenhof (heute Delz). All diese Wege waren beim Gericht eingetragen und durften nicht versperrt oder gar untergepflügt werden. Erst die Flurbereinigung 1974 setzte diesem Fußverkehr ein Ende.
Handwerker-Katen
Wie in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt wurde, gab es neben den Hufnern, die ihre Landwirtschaft im Vollerwerb betrieben, die Kätner. Auch wenn sie etwas Land besaßen, reichte es doch nicht, um eine Familie zu ernähren. Sie mussten also noch einen Beruf ausüben, die Landwirtschaft stellte nur einen Teil der Lebensgrundlage sicher.
Wichtige Gewerke für die Versorgung der dörflichen Gemeinschaft waren zum Beispiel Schmied, Stellmacher, Tischler, Schuster, Schneider, Höker, Schlachter. In Kius sind für die Zeit um 1860 folgende Handwerker verzeichnet: Ein Krüger und Höker, drei Schneider, ein Böttcher, ein Färber, ein Uhrmacher. Kurze Zeit später gab es zusätzlich noch einen Schlachter, einen Maler, einen Tischler sowie einen Stellmacher.
In den 1950er Jahren waren davon noch zu finden: ein Schneider, ein Uhrmacher, ein Maler, ein Tischler und ein Stellmacher, der auch ein Sägegatter besaß. Dabei fällt auf, dass die Berufe und oft auch die Katen in der Familie vom Vater an den Sohn weitergegeben wurden. So existiert die Uhrmacherei der Familie Tüxen in Kius seit 1830 bis heute, und auch die Tischlerei Green von 1872 bis 2005. Die Malerfamilie Tüxen war von 1861 bis 1999 auf der Katenstelle ansässig. Heute gibt es noch zwei Handwerksbetriebe in Kius: eine Tischlerei und einen Uhrmacher.

Der Übergang ins 20. Jahrhundert
Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts zogen Neuerungen und technische Verbesserungen auch langsam in die ländlich-bäuerliche Lebensweise ein. Mit Hilfe noch relativ einfacher Technik erreichte man schon enorme Zeit- und Kraftersparnis. Dazu zählte zum Beispiel der Einsatz des Göpels, an den sich Hans Tüxen aus seiner Kindheit noch gut erinnerte:
»Beim Hof von Johannes Lorenzen (heute Hof Delz) wurde mit Göpelantrieb Korn gedroschen. Die Pferde zogen, immer im Kreis gehend, einen karussellähnlichen Antrieb. Über große Kammräder und mittels Stangenantrieb wurde die Kraft durch ein Loch in der Mauer auf die Dreschmaschine übertragen. In meiner Kindheit in den 20er Jahren haben wir Jungs noch die Pferde angetrieben.«
Der Widder, eine kleine automatische Wasserpumpe, die allein durch Wasserdruck funktionierte, erleicherte unter anderem auch auf dem Lass’schen Hof das Tränken des Viehs. Der Widder wurde im Bach installiert und pumpte das Wasser in den Stall. Auf dem Scheunendach desselben Hofes war ein Windrad montiert. Auf einem Ölgemälde von 1901 ist es als markantes Zeichen zu sehen. Diese Windrose trieb ein Mahlwerk an, man konnte auf dem Hof das eigene Korn zu Schrot und Mehl mahlen. In den 1950er Jahren erst nahm man das Windrad vom Dach; die nötig gewordenen Reparaturen lohnten sich nicht mehr. 2010, 50 Jahre später, stehen wieder zwei Windräder auf dem Hof und nutzen die Windenergie.
Unternehmerischen Mut besaß der Landwirt und Gemeindevorsteher Peter Jürgen Schmidt von Hufe Nr. 2. Noch bevor in Ulsnis und Steinfeld genossenschaftliche Meiereien entstanden, investierte Schmidt 1881 in eine entsprechende Anlage. Angegliedert war ein Schweinestall mit Platz für 100 Schweine, die mit den Resten aus der Milchverarbeitung gemästet wurden. Bauern aus Kius und Umgebung lieferten täglich ihre Milch zur Weiterverarbeitung an. Es scheint aber zu Problemen gekommen zu sein: Hatte Schmidt sich mit der Anlage übernommen, fehlte es an Fachkenntnissen, wurde nicht genug Milch geliefert, war sie nicht rentabel? Wie dem auch sei, wenige Jahre später wurde sie abgebaut; 1888 eröffnete in Steinfeld, 1890 in Ulsnis eine Genossenschaftsmeierei.
Die ersten Trecker hielten 1920 bis 1924 Einzug in Kius. Es sollen ein Fahr-Trecker, ein Lanz-Bulldog und ein Fendt gewesen sein. Auf anderen Höfen arbeitete man jedoch noch bis Anfang der 1960er Jahre mit Pferden.


Nicht alle hatten jedoch die Möglichkeit, sich die moderne Technik zunutze zu machen. Wer kein Geld für Investitionen ausgeben konnte, arbeitete weiter wie in alten Zeiten. Der Kätner Ernst Hoffmann aus Stauertwedt, so berichtet H. Tüxen, grub noch in den 1920er Jahren Torf. Die Moorerde musste mit Wasser gut durchgeknetet werden, bevor er sie in einfache Holzformen streichen, trocknen und verkaufen konnte. Diese Torfbriketts dienten als billiges Brennmaterial.
In der sogenannten Handwerkerstraße betrieben die ansässigen fünf Kätner ein Handwerk. Auch hier zeigte sich, dass nicht alle Betriebe dem Übergang in die Moderne gewachsen waren. Am oberen Ende, beim Löschteich, war schon vor 1900 eine Stellmacherei ansässig. Unter Johannes Egge und später Georg Egge gehörte ab circa 1924 eine Gattersäge zum Betrieb. Hier konnten Stämme bis zu einer Länge von vier Metern aufgesägt werden. Ende der 1960er Jahre wurde der Betrieb eingestellt.
In der Malerkate war bis 1977 Hans Tüxen als Malermeister aktiv. Nach dem Tod von Uhrmachermeister Hans-Heinrich Tüxen 2006 übernahm sein Sohn Willi Tüxen die Werkstatt. Die Schneiderei weiter unten an der Straßenkreuzung am Mühlenbach wurde durch Hermann Schmidt noch bis 1969 betrieben. Tischlerei und Drechslerei Hans Green existierte bis 2005, als Hans Green in Ruhestand ging. Seit 2007 ist sie verpachtet, so dass bis heute die Tischlerei ansässig blieb.
Die Gegenwart
Im Zuge der allgemeinen Rationalisierung und bedingt durch den Einsatz immer größerer Ackermaschinen erfolgte 1974 die sogenannte »Flurbereinigung«. Die ehemals kleinen Koppeln, seit der Reform von 1766 jeweils durch Wälle und Knicks voneinander getrennt, wurden zu größeren Flurstücken zusammengefasst; dabei verschwanden viele der typischen grünen Buschstreifen und das Gesicht der Landschaft veränderte sich.
Die eingangs erwähnten Wasserläufe, die auf alten Karten eingezeichnet sind, wurden zum großen Teil unterirdisch verlegt. Nur wo sich Anrainer gegen eine Vertunnelung wehrten, laufen auch heute noch Bachabschnitte sichtbar durchs Dorf. Eine Veränderung erfuhr auch der kleine Abzweig an der Schleidörfer Straße: Wo heute eine grüne dreieckige Rasenfläche ist, befand sich noch bis 1984 der Löschteich. Dieser mußte der neuen Straßenführung der Kreisstraße 119 (K 119) weichen. Früher sollen die Anwohner ihre Enten über Tag auf den Teich geschickt haben. Abends, sobald das Tor im Zaun geöffnet war, gingen die Enten wieder nach Hause. Jetzt befindet sich der Löschteich zwischen den Grundstücken Kius 3 und Kius 9. Er wird gespeist durch einen der Bachläufe, der allerdings auch verrohrt ist.


Auch auf den Höfen fanden Veränderungen statt. Der Viehbestand vergrößerte sich, die Höfe spezialisierten sich, um wettbewerbsfähig zu sein. Für einige Landwirte oder ihre Erben bedeutete das die Weichenstellung: Aufgabe oder Investition? So sind von den ehemals sechs Hufen heute noch die drei Höfe von Martin Delz, Heinrich Lass und Hans-Hinrich Schmidt bewirtschaftet. Die Ländereien von Johannes Tönnsen werden vom Enkel Johann Peter Christiansen aus Loit-Osterholz bewirtschaftet.
Auf dem Hof von Heinrich Lass werden heute in zwei neuen vollklimatisierten Ställen Schweine gemästet; Legehennen sorgen für die Belieferung der Verbraucher mit frischen Eiern aus Bodenhaltung.
Andere Wege schlugen Siegfried Delz und sein Sohn Martin ein: Sie stellten 1989 ihren Hof auf biologisch-dynamische Landwirtschaft um, 1996 kam eine eigene Rapsölmühle zur Veredlung des angebauten Rapses zu kaltgepresstem Rapsöl hinzu. Eine Herde Rinder aus einer Kreuzung von Angler Rind mit dem Herforder Rind liefert Fleisch und Dünger.
Auch Hans-Hinrich Schmidt betreibt seinen elterlichen Hof, er hält Fleischrinder und Mastschweine. Außerdem vermietet er eine Ferienwohnung.
Weitere Wirtschaftsfaktoren in der Kiusser Landwirtschaft sind die Energieproduktion und -vermarktung, zum Beispiel durch Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen, und Stückholz oder Knickholzschredder zur Wärmegewinnung.
Wie in vielen Teilen in Angeln ist auch der Tourismus in Kius eine wichtige Einahmequelle. Die Schleiregion ist insbesondere für den Fahrradreisenden eine attraktive Gegend. Um so erfreulicher ist, dass ein schon seit Jahren geplanter Fahrradweg von Kius nach Lindaunis 2009/2010 Realität wird.
Wir finden in Kius vier Ferienwohnungen, die vermietet werden: bei Familie Hagge, Alke Christiansen, bei Hans-Hinrich Schmidt sowie bei Familie Wandschneider. Und bis vor kurzem betrieb das Ehepaar Egge eine Pension mit Ferienwohnung, die sie 2008 aus Altersgründen aufgaben.


Anmerkungen
Im Jahrbuch des Heimatbundes Angeln von 1936 ist von Gustav Dircks zur Geschichte des Kirchspiels Ulsnis ein Artikel über die Dorfschaft Kius zu finden. Der gleiche Beitrag erschien am 9. Juli 1938 anlässlich des 600-jährigen Jubiläums der Ulsnisser Kirche in den Schleswiger Nachrichten.
Wir haben uns im Kapitel über Kius unter anderem auch auf seinen Text bezogen. Wo möglich, haben wir die von ihm genannten Quellen nochmals überprüft.